Ein Artikel von Dr. Ingo Bertram, ARD-Wetterredaktion, 17. Juni 2020
In der warmen Jahreszeit kommt es immer wieder vor, dass man ein Gewitter erlebt. Blitze sind nicht nur gefährlich, sondern auch faszinierend. Haben Sie es schon einmal versucht, Blitze zu fotografieren?
Blitze sind interessante Fotomotive, es ist jedoch nicht unbedingt einfach, sie auf ein Bild zu bannen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Fotomotiven sind sie nur extrem kurz zu sehen und man weiß vorher weder wo, noch wann sie auftreten. Die übliche Vorgehensweise des Fotografierens, nämlich das Festlegen des Bildausschnitts und der Belichtungseinstellungen anhand des Motivs, kann bei Blitzen nicht funktionieren. Das Foto muss vorbereitet werden, ehe das eigentliche Motiv überhaupt zu sehen ist. Und was es besonders schwierig macht: Die Belichtung muss bereits stattfinden, wenn der Blitz kommt.
Am einfachsten ist die Blitzfotografie nachts. Wenn die Umgebung dunkel ist, sind lange Belichtungszeiten möglich. Man kann also die Kamera auf ein Stativ stellen und ohne Weiteres 30 Sekunden bis hin zu mehreren Minuten belichten. Mit etwas Glück zuckt in dieser Zeit ein Blitz durchs Bild.
Am Tag kann ein Foto nur vergleichsweise kurz belichtet werden, ehe es überbelichtet ist. Hier besteht die Möglichkeit die Kamera so einzustellen, dass sie bei gedrückt gehaltenen Auslöser statt nur eines Bildes fortlaufend auslöst. Dabei empfiehlt sich ein Kabel- oder Fernauslöser, damit man nicht die ganze Zeit den Finger am Auslöser halten muss. Denn letzteres birgt die Gefahr, die Fotos zu verwackeln. Ein Stativ ist auch am Tage nahezu unverzichtbar. Die Taktik des Dauerfeuers zieht ein Problem nach sich: Meist ist es am Tag so hell, dass sich die Belichtungszeit selbst bei geschlossener Blende kaum über eine Zehntel Sekunde dehnen lässt. Bei 10 Auslösungen pro Sekunde hat man bereits nach einer Minute 600 Fotos verschossen. Diese Flut von Bildern lässt sich im Rohformat bei den meisten Kameramodellen nur einige Sekunden lang speichern, danach gerät die Kamera ins Stocken. Bei extrem blitzreichen Gewittern besteht die Möglichkeit, ein Exemplar zu erwischen. Mit intensiven Graufiltern lässt sich die Belichtungszeit verlängern. Doch damit wird nicht nur das Umgebungslicht gefiltert, sondern auch das des Blitzes. In der Regel wird der Fotograf vom Resultat enttäuscht sein, vom Blitz ist meistens nicht sonderlich viel zu sehen. Gut funktioniert die Methode des Dauerfeuers in der Dämmerung, sobald sich die Belichtungszeit der einzelnen Fotos auf eine Sekunde erhöht hat.
Eine weitere interessante Möglichkeit, am Tag Blitze zu erwischen, stellen sogenannte Lightningtrigger dar. Sie lösen die Kamera aus, sobald ihre lichtempfindlichen Sensoren eine Helligkeitsschwankung registrieren. Um das Ergebnis solcher getriggerten Aufnahmen zu verstehen, muss man ein wenig über den Ablauf der Blitzentladung wissen. Blitze beginnen mit einer Vorentladung, die sich in etwa 10 Millisekunden von der Wolke bis knapp über den Erdboden ausbreitet. Danach erfolgt in extrem kurzer Zeit die erste Hauptentladung. Selbst wenn ein Trigger auf die Vorentladung reagiert, hat man kaum eine Chance, diese Hauptentladung zu erwischen. Kameras haben typischerweise eine Auslöseverzögerung von 50 Millisekunden, schnelle Modelle von 20 Millisekunden. Mit anderen Worten: Die Vorentladung und die Hauptentladung sind in den meisten Fällen bereits Vergangenheit, bis der Fotoapparat auslöst. Viele Blitze haben nach der ersten Hauptentladung noch ein oder mehrere Folgeentladungen. Und die lassen sich mit einem Trigger gut fotografieren. Nur leider besitzen die Folgeentladungen keine Verästelungen. Auf dem Foto erscheint lediglich eine gezackte Linie. In seltenen Fällen bekommt man mit einem Trigger eine erste Hauptentladung mit den schönen Seitenästen auf Bild. Mitunter blitzt es mit geringem zeitlichen Versatz nebeneinander. Ein Blitz löst über den Trigger die Kamera aus, aufs Bild kommt aber die erste Hauptentladung eines anderen Blitzes.
Ein Blitz kann derart viele Folgeentladungen haben, dass er über eine Sekunde lang andauert. Dann hat sogar der Mensch mit seiner vergleichsweise trägen Reaktion eine Chance, einen Blitz aufs Bild zu bekommen, indem er den Auslöser drückt, sobald er den Blitz sieht.
Sollte Sie dieser Text zum Nachahmen animiert haben, sei an dieser Stelle ein dringender Hinweis gegeben: Fotografieren Sie entweder aus der Wohnung heraus oder aus dem sicheren Auto. Stellen Sie sich nicht neben das Auto aufs freie Feld!
https://www.facebook.com/IngoBertramPhotography
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Dr. Ingo Bertram
Ich möchte hier doch darauf hinweisen, dass heutzutage zum Beispiel Olympus den sogenannten „composite live“ modus anbietet. Mit diesem lassen sich Blitzentladungen relativ leicht fotografieren und man verpasst kaum einen Blitz. Das benutzte Prinzip besteht darin, dass die spiegellose Kamera eine erste Belichtung durchführt und anschliessend nur selektiv neues Licht, das stärker als die bestehende Aufnahme ist, hinzu „addiert“. Näheres dazu findet man z. B. auf YouTube.
MfG
D. Pelz
Melbourne